Schmerzen - 10 entscheidende Tipps für mehr Lebensqualität

Schmerzen - 10 entscheidende Tipps für mehr Lebensqualität

 

Mit diesem Artikel möchte ich dir neues Wissen zum Thema Schmerzen vermitteln. Dies soll dabei helfen, neue Wege zu gehen, um deine Schmerzen zu verbessern oder diese sogar ganz los zu werden. Die vorherrschende Denkweise darüber, was Schmerz ist, kann nämlich massiv schaden und eine Heilung verhindern.

 

Ich bin überzeugt davon, dass einige Dinge dich überraschen werden!

 

Viel Spaß beim Lesen!

 

 

Was ist Schmerz eigentlich?

 

Eine Definition von Schmerz:

 

 „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“ (IASP, International Association for the Study of Pain)

 

Wichtig zu verstehen sind hier zwei Dinge:

 

1.      „…Sinnes- oder Gefühlserlebnis…“

2.      „…oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.“

 

Zum einen ist Schmerz ein Erlebnis. Es wird im Gehirn wahrgenommen und nicht im Gewebe selbst. Zum anderen geht es nicht immer um eine Schädigung, Schmerz kann auch nur „mit Begriffen einer solchen Schädigung“ beschrieben werden. Hierauf komme ich später noch mal zurück.

 

10 Dinge, die wir über Schmerz wissen müssen und beachten sollten:

 

1. Schmerz ist gut - Schmerz ist in erster Funktion ein Überlebensmechanismus

  • Menschen ohne Schmerzempfinden (genetischer Fehler) können schwere Verletzungen erleiden, ohne es zu bemerken - das ist sehr gefährlich und häufig lebensbedrohlich. Die Lebenserwartung ist verkürzt.
  • Jede Bedrohung kann als Schmerz interpretiert werden! Schmerz ist ein Output des Gehirns, d.h. auch eine potenzielle Gefahr in der Umwelt oder der Situation kann Schmerzen erzeugen. So kann beispielsweise ein geschädigter Gleichgewichtssinn oder eine reduzierte visuelle Wahrnehmung zu Schmerzen führen. 

2.      Wissen über Schmerzen verändert die Art und Weise, wie wir über Schmerz denken

 

·        Altes Bild Schmerz: 

(zurückgehend auf René Descartes, siehe Bild)

 

Descartes hat im 17. Jahrhundert die Trennung von Körper und Psyche maßgeblich geprägt. Teilweise haben seine Theorien bis heute (z. T. fälschlicherweise) Bestand. Ein körperlicher Schmerz war demnach nur ein Schaden an Strukturen, die über verschiedenste Signale in das zentrale Nervensystem übermittelt werden müssen, um dort passende Reaktionen hervorzurufen. Bei akuten Schmerzen teilweise richtig, bei chronischen Schmerzen aber nicht zutreffend! 

Dinge die Schmerzen beeinflussen:

·        Soziale Situation (Geldsorgen, Streit)

·        Umwelt (Urlaub, Wetter)

·        Gesellschaftliche Rolle (alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder versorgen muss, Ehemann, der seine Frau pflegen muss)

·        Hormone (Glückshormone hemmen Schmerzen, Stresshormone steigern Schmerzen)

·        Angst und Unwissen (sind „Schmerzverstärker“)

·        Kontext in dem wir uns befinden:

1.      Soldat, der schwere Verletzungen (Schusswunde, Blutverlust) hat, aber noch weiterkämpft und/oder Kameraden rettet = keine/wenig Schmerzen

 

2.      Geigenspieler, der eine Fingerverletzung hat und um seine Zukunft bangt = sehr starke Schmerzen

 

 

Wir können uns das so vorstellen: Es haben alle möglichen Dinge Einfluss auf unseren Körper/auf unser Gehirn. Als Bild dient der „Gefahren/Stress- Eimer“. Kommen zu viele Einflüsse in unser System oder sind einzelne Einflüsse sehr ausschlaggebend (Stress), so ist ein bestimmtes Maß überschritten und das Gehirn reagiert mit Schmerz (siehe Bild).

3.      Schmerzen und Gewebeschaden hängen kaum voneinander ab!

 

·        Schmerzen können ohne Ursache entstehen.

·        Ebenso: nicht jede Erkrankung/Verletzung im Körper macht Schmerz!

·        Bei min. 30% aller Personen ohne Rückenschmerzen sieht man (teilweise sehr starke) Bandscheibenvorwölbungen/-vorfälle

 

·        Hier gibt es noch viele andere Studien, die zeigen, dass es viele degenerative Veränderungen („Verschleiß“/Arthrosen) in verschiedenen Gelenken gibt, die bei einer großen Anzahl von Menschen keine Schmerzen auslösen! (s. Bild)

Übersetzung:

„bursal thickening“ = Schleimbeutelentzündung/-verdickung

„cartilage damage“ = Knorpelschaden

 

„disc degeneration“ = Banscheibenschaden/-verschleiß

4.      Jeder Schmerz ist real!

 

·        Schmerz wird immer im Gehirn „produziert“, das Gewebe gibt nur „Gefahrmeldungen“ – das Gehirn bewertet das Ganze dann und interpretiert es als bedrohlich oder nicht. Eine Gefahrenmeldung („Nozizeption“) ist weder allein ausreichend noch notwendig für eine Schmerzempfindung.

·        Schmerz ist immer individuell und subjektiv.

·        Schmerz ist ein „Action“-Signal – er zwingt uns zum Handeln – wir müssen uns mit dem Problem beschäftigen.

·        Es gibt auch Phantomschmerzen à auch dieser ist real. Dies ist ein gelernter Schmerz, der besteht, obwohl das entsprechende Körperteil nicht mehr vorhanden ist.

·        Placebo-OPs: 180 Personen mit 2./3. Grad Arthrose wurden „schein-operiert“

à es wurde unter Vollnarkose nur ein Hautschnitt gemacht, ohne weiter das Gewebe zu „reparieren“. Die Ergebnisse waren gleich oder besser als eine tatsächliche Knie-OP (Moseley et. al.)

 

5.      Bei Schmerzen ist die Wahrnehmung in Bezug auf weitere Gefahren/Schäden am Gewebe (deutlich) erhöht. Wie bei einer „zu scharf gestellten Alarmanlage“

 

·        Es kann zu einer Verzerrung der Wahrnehmung und Überbewertung/Fehlinterpretation kommen. Das Gehirn bewertet die Information als Schmerz, obwohl vielleicht gerade nur eine Stelle auf der Haut leicht berührt wird.

·        Durch Stimulation (Massage, Bewegung, verschiedene Reize) und funktionales Training kann man „wahrheitsgetreue“ Wahrnehmung zurückerlangen. Bitte nicht falsch verstehen: Eine Massage kann hilfreich sein, aber nur durch Massage wird kein Schmerz langfristig verschwinden. Es müssen also immer noch weitere Schritte folgen.

 

6.      Eine aktive und positive Lebenseinstellung begünstigt den Verlauf von Schmerzen/Heilung. Folgende Faktoren beeinflussen den Verlauf:

 

·        Einfluss auf eigene Lebensqualität nehmen (genug Schlaf, gute Ernährung, Bewegung…)

·        Gefühl der Kontrolle (über eigenes Leben/Behandlungsmöglichkeiten à Informationen sammeln)

·        Familiäre und medizinische Unterstützung 

·        Ausreichend Bewegung – Neues ausprobieren

·        Wissen um Schmerz

·        Schmerzgrenze kennen (lernen)

·   Schmerz weder ignorieren und „überwinden“ aber auch nicht in Passivität verfallen

·   Akute Schmerzen und chronische unterscheiden (bei akuten Schmerzen ist auch mal eine Pause und Schonung sinnvoll)

·        Ziele für Schmerz und Bewegung setzen und Pläne machen und umsetzen (z.B. einen Trainingsplan für funktionelles Krafttraining oder ein Ziel für die täglich zu schaffenden Schritte)

·        Dinge tun, die Spaß machen

·        Den Unterschied zwischen Schmerz und Gewebeschaden kennen!

·        Dokumentieren von Erfolgen und der zunehmenden Belastbarkeit

 

7.      Es gibt kein Schmerzzentrum im Gehirn à ganzes Gehirn ist aktiv

 

·        Alle Sinne sind beteiligt

·        Erinnerungen spielen bei Schmerzen eine Rolle (zum Beispiel bestimmte Bewegungen, Situationen oder Orte)

·        Bestimmte Bewegungsmuster aktivieren verschiedene Regionen im Gehirn

·        Schmerzmuster können, wie eine Sportart/Bewegung, langfristig im Gehirn gespeichert werden. Je öfter man den Schmerz „wiederholt“ desto langfristiger wird dieser im Gehirn abgespeichert. Je häufiger wir einen Schmerz wiederholen, desto „besser“ werden wir darin diesen auszulösen – wie bei jeder Art von Training! Man kann Schmerzen aber auch wieder verlernen/abtrainieren!

8.      Geduldig bleiben! Es wird möglicherweise auch Rückschritte geben, denn...

 

·        um unsere Belastbarkeit und die Schwelle, bei welcher ein Schmerz ausgelöst wird, zu erhöhen, dauert es eine gewisse Zeit

·        manchmal geht es einen Schritt zurück, dann wieder zwei Schritte vor 

9.      Wie bei Schmerzen im Training vorgehen?

 

·        Nie mit Schmerz trainieren (wenn es eine Art Dauerschmerz ist, sollte er beim Training erstmal nicht schlimmer werden!)

·        Wenn doch einmal Schmerzen auftreten:

1.      Körperteil vor der Belastung vorbereiten (massieren, Vibration, locker bewegen)

2.      Unterscheiden – unangenehm vs. Schmerz (bei Schmerzen hält man die Luft an und kann nicht mehr entspannen – wenn etwas unangenehm ist, geht meistens beides noch)

3.      Wirklich Schmerzen? Dann langsamer bewegen

4.      Wenn es immer noch schmerzt à Bewegungsradius verkleinern

 

10.       Ärztliche Abklärung ist trotzdem notwendig

·        um schwerwiegende und behandlungsbedürftige Erkrankungen festzustellen/diese auszuschließen
·        Beachte: Expertenmeinungen (Arzt, Therapeut, Radiologe) immer kritisch hinterfragen und dem Behandler bei Unklarheiten Fragen stellen!
·        Der Behandler sollte alles so erklären, dass man es versteht!

 Um das Ganze in die Praxis umzusetzen, helfen dir meine „3 Säulen bei Schmerzen“:


3 Säulen, die man beachten sollte, um Fortschritte bei Schmerzproblemen zu erzielen:

 

1.      Verstehen

·        führt zu weniger Angst - führt zu weniger Stress - weniger Schmerz

 

2.      Bewegen

·        dosiert

·        unter Beachtung der Schmerzgrenze

·        progressiv (also steigernd) belasten

 

3.      Dokumentieren

·        Fortschritte wie Gehstrecke, Trainingsgewichte oder Dinge im täglichen Leben

·        Schmerztagebuch führen, um herauszufinden, welche Dinge Schmerzen auslösen (auch Dinge wie Ernährung, Stress und Training mit aufführen!)

 

·        Dinge die gut funktionieren (Bewegungen, Übungen, die helfen)

Ich wünsche dir viel Erfolg beim strategischen Vorgehen bei Schmerzen und dass du mit mehr Wissen, einer positiven Einstellung und einer dosierten und geduldigen Vorgehensweise alle deine Ziele erreichst!

 

Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir von deinen Erfolgen berichtest.

 

Wenn du Fragen oder Schwierigkeiten bei der Umsetzung hast, melde dich sehr gerne bei mir!

 

Sportliche und schmerzfreie Grüße

 

Oliver

Quelle: D. Butler und L Moseley, Schmerzen verstehen, Springer, 2005

Bildmaterial: http://shutterstock.com/